Die alte Religion

Es gibt in der Geschichte unzählige Beispiele dafür, dass Anhänger des Christentums ihren Glauben mit brutaler Gewalt unter den Menschen verbreiteten und keinen anderen neben sich gelten ließen. Getreu nach dem 1. Gebot ihrer Religion: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“

Dabei blieben Anstand, Menschlichkeit und Nächstenliebe auf der Strecke. Stichworte wie „Hexenverfolgung“, „Scheiterhaufen“ und „Inquisition“ sind noch heute, in unserer modernen Zeit, in aller Munde. Die Kenntnis dieser Gräueltaten wird zur Allgemeinbildung gerechnet. Sogar die Inquisition gibt es nach wie vor, sie hat heute nur einen anderen Namen. Sie nennt sich „Kongregation für Glaubensfragen“ und zündet keine Scheiterhaufen aus Reisig und Feuer mehr an. Unser ehemaliger deutscher Papst Benedikt war ihr Vorsitzender, bevor das Konklave ihn in das höchste christliche Amt wählte.

Zur Zeit der Kreuzzüge war der Schlachtruf „Gott will es“, ausgegeben vom Papst, dem Vertreter des christlichen Gottes auf Erden, die Legitimation, Zehntausende von Menschen umzubringen oder elend sterben zu lassen. Nur, weil man eine Stadt zurückerobern wollte, die andere Gläubige, die an denselben Gott glaubten, in ihrem Besitz hatten. Sie nannten und nennen ihn nur anders, nämlich „Allah“.

Niemandem kam damals in dieser fanatisch aufgeheizten Atmosphäre überhaupt zum Bewusstsein, warum denn dieser Gott Menschen, die alle an ihn glaubten, nur in zwei verschiedenen Arten, sich gegenseitig abschlachten ließ. Konnte es einen solchen Gott überhaupt geben? Wer es wagte, diese Frage offen zu stellen, galt als Ketzer, als „verlorene Seele“, genau wie die Muslime, gegen die man kämpfte – und war nichts mehr wert. Man durfte ihn umbringen, niemand belangte den Mörder, weder Staat noch Kirche. Der Tod einer verlorenen Seele war keine Sünde, sondern Gott gefällig.

Es gab zur Zeit der Kreuzzüge aber nicht nur das Christentum, den Islam und das Judentum, sondern noch eine ganz andere Religion, allerdings im Verborgenen. Jeder, der im Verdacht stand, dieser sogenannten „alten Religion“ anzugehören, galt als Ketzer (s.o.).

Gehen wir noch einige hundert Jahre weiter zurück in der Geschichte: in die legendäre Zeit von König Artus. Unabhängig davon, ab es ihn gab (was bis heute diskutiert wird), gab es damals in Albion, wie die britische Insel nach dem Abzug der Römer, die sie Britannien nannten, genannt wurde, die alte Religion und das Christentum. Die Juden spielten eine untergeordnete Rolle, der Islam existierte noch gar nicht. Es war die Zeit der Jahrhundertwende zwischen 5. und 6. Jahrhundert.

Einer der unzähligen Artus-Legenden nach war König Artus selbst kein Christ, sondern bekannte sich nur aus politischen Gründen dazu, während er in Wahrheit der alten Religion folgte. Ihm blieb keine andere Wahl, denn das Christentum war unaufhaltsam auf dem Vormarsch, drängte die Anhänger der alten Religion immer mehr zurück. Sie führten das fort, was sie bereits hunderte von Jahren zuvor begonnen hatten: Sie nahmen jedem anderen Glauben seine Identifikation, indem sie dessen Feiertage „verchristlichten“ und die Termine mit ihren Festen besetzen. Ein Beispiel dafür ist z.B. der „Samhain“ der alten Religion, der im Christentum zu Allerheiligen wurde. Für die alte Religion war Samhain das Fest, an dem die Tore zwischen den Welt weit offen sind und es den Geistern möglich ist, mit der Welt der Lebenden in Kontakt zu treten. Dies ist nur an Samhain möglich oder in den zwölf Raunächten um den Jahreswechsel herum.

Das steht im völligem Widerspruch zur christlichen Lehre, nach der die Welten der Lebenden und der Toten streng voneinander getrennt sind, wie das christliche Totengebet es ausdrückt: „Die Lebenden zu den Lebenden, die Toten zu den Toten.“

Außerdem endete an Samhain der Jahreskreis aus Werden – Wachsen – Vergehen, den auch die dreifaltige Göttin in ihren Inkarnationen als junge Frau, schwangere Frau und zum Schluss Greisin symbolisierte.

Aufgeschlossene Theologen aller Konfessionen, die bereit sind, über ihren „Tellerrand“ hinauszublicken, diskutieren heute ernsthaft, ob auch die Darstellung der Jungfrau Maria an diese weibliche Göttin angelehnt sein könnte.

Bis heute wird von Gegnern des Christentums gerne angeführt, dass der christliche Glaube nichts selbst entwickelt hat, sondern sich alles von anderen Religionen „zusammengetragen und übernommen“ hat.

Jedenfalls war das Christentum zu Artus‘ Zeiten unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Die Missionare bekehrten immer mehr Menschen, aber es gab nach wie vor die Anhänger der alten Religion. Trotz seiner offiziellen Hinwendung zum christlichen Glauben schaffte Artus es, alle unter seinem Banner, dem Pendragon-Banner, zu vereinen – durch seine Qualitäten als Feldherr und sein persönliches Charisma.

Bis er dem Drängen seiner Frau nachgab und zum ersten Mal nicht unter dem Pendragon, sondern unter dem christlichen Kreuz, in die Schlacht zog. Woraufhin sich die Stämme der alten Religion von ihm abwandten und ihn in seiner letzten Schlacht bei Camlann verließen, weil sie sich und ihren Glauben von ihrem König verraten fühlten.

Artus gewann die Schlacht von Camlann und konnte ein letztes Mal die Sachsen zurückschlagen, die die Insel erobern wollten – aber er selbst wurde schwer verletzt und starb etwas später an seinen tödlichen Wunden.

Über sein Grab gibt es verschiedene Vermutungen: Liegt er wirklich in Glastonbury begraben – oder auf der heiligen Insel Avalon und niemand kennt sein Grab? Wieviel Wahrheitsgehalt steckt in der alten Legende: „Er ist der einstige und künftige König. Wenn Albions Not am größten ist, steht er wieder auf. Bis dahin ruht er geschützt auf der heiligen Insel Avalon hinter den Nebeln. Nur die Priesterinnen der alten Religion haben die Macht, sie zu durchdringen.“

Nach Artus‘ Tod war es mit der alten Religion in England vorbei. Genau wie die Sachsen, die nach Artus die Insel doch noch eroberten, wurden sie von den Gottesvertretern des Christentums bekehrt. Sie bedienten sich dabei der Macht, die sie über ihre Anhänger ausübten, indem sie schlichtweg mit der Angst der Menschen kalkulierten: Denn nur die Vertreter Gottes auf Erden hatten die Macht, die durch die Absolution von ihren Sünden zu erlösen, auf dass sie nach ihrem Tod durch die Himmelspforte gingen und an der Seite ihres Gottes an der Festtafel Platz nehmen konnte.

Durch dieses im Grunde einfache psychologische Gerüst herrschten die christlichen Priester über die Menschen und bekamen von ihnen alles, was sie wollten – denn wer wollte schon sein jenseitiges Leben in der Hölle und dem ewigen Fegefeuer beenden?

Wenige Anhänger der alten Religion entgingen dieser Vernichtung. Sie hatten und haben Nachkommen, die das alte Wissen bewahrten, bis heute! Aber durch die Dominanz der christlichen Kirchen wagten sich die ersten von ihnen erst zum Ende des 19. Jahrhunderts wieder an die Öffentlichkeit. Sie nennen sich heute „Neuheiden“. Besonders Frauen finden in der neuen/alten Religion eine spirituelle Heimat, weil sie dort nicht so unterdrückt werden wie in den großen Buchreligionen. Meistens sind es selbstbewusste Frauen, die nicht mehr bereit sind, sich der patriarchalischen Unterdrückung zu beugen.

In Zeiten von König Artus hatten die Priesterinnen der alten Religion große Macht. Die Hohepriesterin, die „Herrin vom See“, war zusammen mit dem Merlin von Britannien, dem Führer der Druiden, das gleichberechtigte geistliche Oberhaupt dieser Religion.

Zu Zeiten der Kreuzzüge gab es die alte Religion offiziell nicht mehr in England. Die Sachsen waren zum Christentum bekehrt, jedenfalls die meisten von ihnen.

Es brodelte auf der Insel. Die Normannen unter Wilhelm dem Eroberer hatten die Insel erobert, aber sich nicht um Frieden mit den Besiegten bemüht, sondern ihnen im Gegenteil ihren Besitz geraubt und an treue normannische Ritter als Lehen gegeben. König Wilhelm I. begann damit, der erste Plantagenet-König, Henry II., führte das fort. Erst sein Sohn, Richard I. Löwenherz, begann das zu ändern, allerdings nur für kurze Zeit, denn sein Bruder John, der ihm unglücklicherweise auf den Thron folgte, weil er keinen legitimen Erben hatte, machte alles wieder rückgängig und kehrte zum Kurs des Vaters zurück.

Die alte Religion hat mit dem Christentum nichts gemein, unterschiedlichere Weltanschauungen kann es kaum geben. Eigentlich hatte sie auch mit den Sachsen nichts gemein, denn die Sachen folgten, als sie Insel eroberten, noch ihren Göttern, die vielfach Menschenopfer forderten, was die alte Religion komplett ablehnte. Im Gegenteil respektierte sie den Wert jedes Lebens, weil ihre große Göttin die Inkarnation der Natur selbst war und bis heute ist.

Trotzdem waren sie die natürlichen Verbündeten der Sachsen, sollte es zu einem Aufstand gegen die herrschenden Normannen kommen.

Es gibt einige – zugegeben, recht diffuse, Hinweise in einigen Überlieferungen, dass die Sachen bei ihrem Protest gegen die Normannen unbekannte Verbündete hatten. Niemand weiß heute, ob das nur eine Legende wie die von Robin Hood aus dieser Zeit und die von König Artus ist – oder ob etwas Wahres darin enthalten ist.

Durch Joan, die Freundin, Waffenschwester und Geliebte von Richard Löwenherz, gebe ich dieser alten Religion in meiner Serie über Richard Löwenherz eine Stimme …

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